Zwischen Faktenwissen und Verständnis: Über das Lernen in der Informatik
Gestern im Inf-Einf-B Study and Code Space: Ein Student fragt nach „Erkennungsmerkmalen“ von Sortieralgorithmen. Klar formuliert, prüfungsorientiert.
Diese Begegnung verdeutlichte ein Kerndilemma der Informatiklehre. Wir reduzieren komplexe Algorithmen oft auf abrufbare Fakten: Bubble Sort - lineare Laufzeit im Best Case, quadratische im Worst Case. Korrekt, aber oberflächlich.
Diese Situation zeigt ein Grundproblem in der Informatiklehre. Wir packen komplexe Algorithmen in Schubladen. Wir reduzieren sie auf Stichpunkte und Laufzeitklassen. Studierende lernen diese auswendig. Sie schreiben sie in Klausuren nieder. Und vergessen sie danach wieder.
Was bleibt? Wenig.
Statt die Frage des Studenten mit weiteren Fakten zu beantworten, habe ich mir Zeit genommen. Wir haben die Algorithmen an einfachen Beispielen durchgespielt. Schritt für Schritt. Element für Element. Bubble Sort bei bereits sortiertem Array? Selection Sort bei umgekehrter Sortierung? Diese handwerkliche Herangehensweise macht abstrakte Konzepte greifbar. So leite ich mir die Laufzeit immer wieder intuitiv her ohne sie auswendig lernen zu müssen.
Ob dieser Ansatz erfolgreich war? Schwer zu sagen. Der Student hörte zu. Er nickte. Ob echtes Verständnis entstanden ist oder nur höfliches Interesse, bleibt offen. Die Klausur wird es zeigen – also falls eine Frage zu Sortieralgorithmen drankommt 😜
Als Lehrende stehen wir täglich in diesem Spannungsfeld: Tiefes Verständnis fördern und gleichzeitig auf Prüfungen vorbereiten, die oft Faktenwissen belohnen.
Unser „Study and Code Space“ war ein Versuch, diesen Konflikt zu entschärfen - ein Raum für beides: prüfungsrelevante Fakten und echtes Verstehen.
Profitiert davon haben 30 Studierende, die gestern teilweise bis zu sieben Stunden mit uns verbracht haben. Zur Prüfung angemeldet sind über 200. Wie erreichen wir die anderen?
Wir bleiben am Ball.
Dieser Beitrag ist zuerst auf LinkedIn erschienen.